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Meine Beine im Gedankenstrudel

Meine Beine im Gedankenstrudel

Meine Beine wackeln. Meine Beine tanzen. Meine Beine triggern. Meine Beine nerven. Meine Beine verbreiten Unruhe. Meine Beine... .

 

 

Wieder stehe ich neben mir. Mir geht es schlecht. Meine Gedanken drehen sich im Kreis und suchen Antworten. „Auch in der Klinik, werden ihre Beine Thema sein. Sie sehen ja, was ihre Beine bei anderen auslösen können“, Sätze die mir die Luft nehmen, die mir den Halt nehmen, die mir Angst machen.

 

Ja, in der Therapiestunde habe ich meine Beine ruhig bekommen. Warum? Ich bin in Beziehung mit meiner Therapeutin getreten. Ich habe Vertrauen zu ihr und konnte dieses Vertrauen zulassen. Ich konnte loslassen, von meinem Drang kontrolliert zu sein. Ich konnte annehmen, dass ich bei ihr den notwendigen Halt gefunden habe, den ich brauche. Dieses Zusammenspiel, hat meine Beine beruhigt! Ja, vielleicht kann ich in den Therapiestunden, mit IHR, jetzt ruhiger sitzen oder „flegeln“.

 

Ja, ich habe die Klarheit erhalten, dass meine Beine auch ruhig sein können, wenn ich Vertrauen zulassen kann. Mein Urvertrauen ist völlig ruiniert. Mein Schutzmechanismus hat mir das Vertrauen zu ALLEN Menschen genommen. Ich habe überlebt. Jetzt ist es soweit, dass ich Vertrauen zulassen möchte und kann. Mir selbst und in erster Linie den Menschen gegenüber, die in meiner Umgebung sind, Familie und Freuden. Es ist MEINE VERANTWORTUNG besser für mich zu sorgen. Da bin ich, glaube ich, JETZT auf einem guten Weg. Gegenüber Freunden, ist es an mir, mein Vertrauen wieder zuzulassen. Sie haben es ja nie enttäuscht. Sie haben es 100% verdient.

 

Ich war so froh darüber, diesen Schritt hin zum Vertrauen, gegangen zu sein. Da haut mich der Satz meiner Therapeutin wieder um. Ja, ich kann Vertrauen ihr gegenüber, nun endlich zulassen. Ja, vielleicht gelingt mir das, auch gegenüber anderen Therapeuten, in Klinik-Einzel-Therapien. Ich werde es versuchen.

 

Doch ich stehe nun unter Druck und ich fühle mich auf meine Beine reduziert. Das Vertrauen in mich selbst, hat der Wind mitgenommen. Selbstzweifel, Ärger und Angst bestimmen mich. Ich fühle mich bedrängt, unter Druck gesetzt und gezwungen. Meine Sicherheit im Vertrauen auf die Klinik ist minimiert. Wenn also meine Beine nicht weniger wackeln, d.h. meine innere Anspannung ihren Pegel nicht senkt, sind meine Therapiefortschritte nicht genug, ist meine Mühe wirkungslos, dann habe ich etwas falsch gemacht, ist ein Therapieerfolg nicht möglich, ein Klinikaufenthalt nicht sinnvoll, werde ich dann abgewiesen, entlassen?

 

Ich möchte an mir arbeiten, ob mit oder ohne wackelnde Beine. Ich gehe nicht in die Klinik um meine Beine ruhig zu stellen. Natürlich werde ich an Triggern, Auslösern, Ängsten … arbeiten, dabei aber auch noch meine Beine zu beachten, ist glaube ich etwas sehr viel verlangt. Vielleicht werden sie ruhiger, vielleicht aber auch nicht. Für mich ist wichtig, an dem zu arbeiten, was in mir tobt und jagt, was mir das Selbstvertrauen nimmt und mir Angst bringt. Meine 1. Aufgabe auch die Gruppen-Therapien zu meistern, ist ein riesiger Berg für mich. Mit dem Ziel, in diesen Therapien, auch noch die Beine ruhig zu bekommen, fühle ich mich völlig überfordert. Ich möchte die Therapien machen, ob mit oder ohne wackelnde Beine.

 

Ja, ich habe Angst vor anderen Menschen, vertraue ihnen nicht. Auch nicht, im geschütztem Raum. Was ändert der geschützte Raum? Nichts. Dort sind Menschen, die wie ich Hilfe brauchen, die wie ich Schlimmes erlebt haben. Ändert es Charakterzüge – Verhaltensweisen. Nein. Nein, ich kann diesen, mir fremden Menschen, nicht vertrauen bzw. nur soweit wie ich sie sehe. Dort fehlt mir die Sicherheit und der Halt.

 

Ich gehe nicht in die Klinik um mich zu verbiegen. Zu mir gehören die wackelnden Beine dazu. Sie können nerven, sie können Unruhe auslösen. Müssen sie aber nicht. Ich bin wie ich bin und habe gelernt damit zu leben und meinen Beinen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu geben. Jede Behinderung hat ihre Auswirkungen, sichtbare und unsichtbare. Bei mir sind sie sichtbar, naund? Jeder darf sein, wie er ist. Ich aber nicht?

 

Ich habe in vielen Therapiestunden gelernt, auf mich selbst zu schauen, zu schauen was mir gut tut, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen, meinen Weg zu gehen, zu akzeptieren wie ich bin und ja auch mit wackelnden Beinen. Jetzt heißt es: Ihre Beine werden Thema sein, sie sehen ja wie es anderen damit geht. Es ist ihnen also egal, wie es mir damit geht? Heißt, weil es anderen damit nicht gut geht, muss ich meine Anspannung und ihr Ventil, meine wackelnden Beine, ruhig stellen? Finde den Fehler. Für mich ist das gerade verdrehte Welt. Unter den tausend Menschen, die mir seit dem ersten Klinikaufenthalt begegnet sind, haben mich ca. fünf angesprochen bzw. mich für dämlich gehalten. Eine einzige Patientin hatte damals ein Problem mit meinen Beinen. Finde den Fehler. Was soll das? Ich kann es nicht verstehen. Ich bin krank. Ich habe eine sichtbare Beeinträchtigung. Mehr nicht. Ja, mir ist es egal was die 1000 Menschen von mir denken und wie es ihnen damit geht.

 

Nein, mir ist nicht egal, wie es Menschen in meinem nahen Umfeld, Menschen denen ich vertraue, damit geht. Seit den letzten Therapiestunden weiß ich, an welchen Schrauben ich drehen muss, um hier eine Veränderung zu erlangen. In meinem Umfeld, Familie und Freunde, haben die meisten überhaupt kein Problem, mit mir und meinen wackelnden Beinen, ich habe sie gefragt. Sie alle wertschätzen mich als liebenswerten Menschen und das verändern auch meine wackelnden Beine nicht.

Heike, es sind Deine Beine, die nicht wackeln, sondern tanzen wollen....und das ist doch nicht furchtbar, oder? Als die Kerze auf dem Tisch solidarisch mit wackeln wollte, hab' ich sie zur Seite gestellt und Deine "Beine" konnten, ohne irgendwo Schaden anzurichten, wieder frei tanzen...“ Du bist wie du bist, mach dir nicht so viele Sorgen... Andere haben andere "Macken". Schau mich an: bei Anspannung fange ich an zu stottern..., da hätte ich lieber wackelnde Beine.

 

Meine Therapeutin hat ein Problem mit meinen Beinen. Das ist mir nicht egal. Wir haben eine Lösung gefunden. Das ist wunderbar. Nun aber zu erwarten, dass ich in der Klinik für alle Personen-Kontakte eine Lösung finde und diese auch noch umsetzen kann, ist nicht realistisch. Mein Ziel ist, die Gruppen-Therapien zu meistern, mit wackelnden Beinen. Diese Anspannung in einer Gruppe zu agieren, kann ich nicht ablegen, wie einen alten Schuh.

 

Ich werde es in meiner nächsten Therapiestunde direkt ansprechen. Ich brauche Klarheit und Sicherheit. Dann sehe ich weiter.

 

 

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